Randnotizen
Japan
"Das Land der aufgehenden Sonne"Politik
Das Wahlalter beginnt in Japan bei 20 Jahren. Im politischen System sind eine Vielfalt an Wahlen vorgesehen, unter anderem die Wahl der Abgeordneten, der Governeure, der Abgeordneten des Parlaments, oder auch der Bürgermeister. Die wichtigste Wahl in Japan stellt die Wahl des Unterhauses dar, bei der jede/r BürgerIn nur eine Wahlstimme besitzt. Zweitwichtigste Wahl ist die alle 3 Jahre stattfindende Wahl der 252 Mitglieder des Oberhauses. Wie in den meisten Demokartien liegt die meiste Macht beim Unterhaus. Das Oberhaus , das so viel wie der Nachfolger der Kammer der Adligen darstellt, könnte Abstimmungspflichtige Gesetze ablehnen. Jedoch passiert dies relativ selten bis nie. Gesetzte zum Staatshaushalt und zu internationalen Verträgen werden nur durch das Unterhaus verabschiedet.
Vor der Wahlreform 1994 gab es in vielen Fällen personen- statt parteiprogrammierte Wahlentscheidungen. Die Förderung der Parteien bzw. Kandidaten war bis zu diesem Zeitpunkt stark von Mäzenen aus der Privatwirtschaft abhängig. Doch trotz der Reform spielen Förderungen aus der Privatwirtschaft immer noch eine wichtige und oftmals eine entscheidende Rolle in der japanischen Politik. Für den Wahlerfolg entscheidend sind die 3 „ban“:
- Jiban: die lokale Hochburg
- Kanban: bekanntes Gesicht
- Kaban: wohlgefüllte Börse
Eine spezielle Eigenheit der japanischen Politik ist es, dass die sogenannten 3 „ban“ vererbt werden können, was oftmals Politikerdynastien nach sich zieht. Die patriarchalen Strukturen der japanischen Gesellschaft finden sich auch in der Politik wieder. Der Frauenanteil im Unterhaus liegt lediglich bei 4,6 %. In Relation dazu liegt der Frauenanteil in der Politik im europäischen Durchschnitt bei rund 25 %, in Österreich bei 27,9 %. Die japanische Politik gilt als sehr konsensual. Das kompromisslose Durchbringen von Gesetzesentwürfen ist selten der Fall. So sieht sich das Parlament auch nicht als oberste politische Macht. Viel mehr wird die Macht zwischen Parlament – Regierung/ Kabinet und der mächtigen Bürokratie geteilt.
Parteien
Momentan regiert in Japan eine Koalition aus der liberaldemokratischen Partei und der Komei Partei. Mit Ausnahme weniger Jahre war immer die LDP (liberaldemokratische Partei) in der Regierungsverantwortung. Die LDP versteht sich eher als konervativ denn demokratisch und im Vergleich zu europäischen Parteien stellt die LDP mehr ein Zusammenschluss einzelner Führungspersönlichkeiten als eine konzentrierte politische Gruppe dar.
Durch das immer noch lebhafte Naheverhältnis von Politik und Wirtschaft in der japanischen Gesellschaft scheint die stark ausgeprägte Wirtschaftspolitik der LDP mehr als nur logisch. So sind es vor allem die Interessen der Großunternehmer und der Landwirte die die LDP vertritt. Außenpolitisch lehnt sich die LDP stark an den USA an. Bis in die frühen neunziger war die Sozialdemokratische Partei die wichtigste und stärkste Oppositionspartei, allerdings hatten sie, vor allem durch ihre Schwäche auf dem Land und der mangelnden Unterstützung der Wirtschaftstreibenden, niemals wirklich eine Aussicht auf Regierungsverantwortung.
Durch die starke Verflechtung von Wirtschaft und Politik kam es in jüngster Vergangenheit vermehrt zu Korruptionsfällen und Misswirtschaft, das verstärkte Forderungen nach einer Deregulierung & Liberalisierung des Wirtschaftswesens zur Folge hatte.
Regierung
Durch die starken Fraktionen innerhalb der LDP ist die Autonomie und der Einfluss des japanischen Regierungschefs/ Ministerpräsidenten sehr eingeschränkt. Das homogene Kräfteverhältnis innerhalb der Fraktionen führt zu langen Aushandlungsprozessen bei der Wahl zum Ministerpräsidenten. Und da der Ministerpräsident auch in der Verantwortung gegenüber den Fraktionen steht, gestaltet sich das Regieren sehr schwer, was wiederum zu vielen Rücktritten führt. Im europäischen Vergleich könnte man sagen, dass die LDP durch ihre starke Fraktionierung koalitionsähnliche Züge besitzt.
Ministerialbürokratie
Offiziell besitzen die Minister eine breite Machtfülle bei der Formulierung und Umsetzung von Politik – vor allem im internationalen Vergleich haben sie eine starke Rolle im Politikfindungs- und –formulierungsprozess. Sie sehen sich selbst weniger als Dienerinnen der Öffentlichkeit denn als Lenkerinnen und Koordinatorinnen der Staatsgeschäfte. Die gegenseitige Abhängigkeit von Politik und Ministerialbeamten ist für das westliche Verständnis nur sehr schwer vereinbar.
Sozialpolitik
Sozialpolitisch gilt Japan als Spätentwickler. Lange Zeit herrschte der Konsens, dass die Wirtschaft Priorität habe und dafür im Sozialen und im Konsum Verzicht geübt werden musste. Die Grundlage wurde in den sechziger Jahren mit der Einführung der Kranken- und Rentenversicherung geschaffen. Im europäischen Vergleich war das Nieveau aber sehr niedrig. Die erste Erhöhung und Anpassung gab es dann in den siebziger Jahren. Zur Zeit der Ölkrise im Jahr 1973 kam es dann zur ersten Zäsur. Als Reaktion wurden die Staatsausgaben stark reduziert und der damalige Ministerpräsident appelierte an die Selbsthilfekräfte der Zivilgesellschaft (Wohlfahrtsgesellschaft vs. Wohlfahrtsstaat). Auch gegenwärtig wird die Familie immer noch als kulturelle und ökonomische Einheit verstanden, die moralisch verpflichtet ist, für ihre Mitglieder zu sorgen.
Die Arbeitslosenversicherung wie wir sie kennen, stellt eher ein unterentwickelter Bereich dar. Eine Grundabsicherung umfasst nur relativ wenige Leute. Die Leistungen sind abhängig vom Alter des Empfängers und von der Dauer seiner Beitragszahlung. Maximal werden aber 300 Tage lang zwischen 60 & 80 Prozent des vorherigen Lohnes ausbezahlt.
Gewerkschaft
Wer Gewerkschaften sucht wie es sie zum Beispiel in Österreich und Deutschland gibt, wird lange suchen müssen und kaum ein vergleichbares Modell finden. In Japan gibt es ein System der Betriebsgewerkschaften, landesweite Gewerkschaftsverbände gibt es keine. Allerdings gibt es diese Betriebsgewerkschaften fast ausschließlich in größeren Unternehmen, die Klein- und Mittelindustrie ist kaum organisiert. Gänzlich zu unserem System unterscheidet sich das System der japanischen Gewerkschaften im zu unterstützenden Klientel, denn die japanischen Gewerkschaften sind Interessensvertretungen von Stammarbeitnehmer, die lebenslange Beschäftigungsgarantie genießen. Leiharbeiter, Kontraktbeschäftigte und Frauen (meist keine Stammarbeitnehmerinnen) werden in der Regel nicht von der Gewerkschaft vertreten.